Solange man das Alter von Kindern noch ohne die Hilfe eines Taschenrechners in Monaten angeben kann, wird die Liste der ersten Male oft ad absurdum geführt: das erste Mal „Aa“ ins Töpfchen, der erste Trotzanfall, der erste Brech-Durchfall…
Etwa mit dem Kindergarteneintritt wird die Liste kürzer, aber auch individueller. Während mein Mann noch dem ersten Stadionbesuch entgegenfieberte, bereitete ich mich kürzlich auf etwas viel Bedeutenderes vor: den ersten Kinofilm meines fast fünfjährigen Sohnes. Als ich selbst zum ersten Mal die heiligen Hallen unseres winzigen, nach einer Mischung aus Popcorn und kaltem Rauch stinkenden, Kleinstadtkinos betrat, war ich sieben. Die Leinwand schien kaum größer, als ein 55-Zoll-Flat-TV, unter meinem Sitz breitete sich die Cola-Lache vom Hintermann aus und die durchschnittliche Quote lag pro Vorstellung bei etwa fünf Filmrissen. Und so dauerte „Santa Claus“ statt der angegebenen 95 Minuten schon mal zwei Stunden dreißig.
Das ist heute anders. Filmvorführer ist nicht mehr unbedingt der tollste Job der Welt, aber die Geruchssituation in den Sälen wurde deutlich modifiziert – ebenso wie der Umfang der Leinwand. Allerdings wäre das Kinoerlebnis beinahe schon vorbei gewesen, bevor es richtig beginnen konnte. Aus dem spärlich beleuchteten, vollständig leeren Kino schallte uns der Soundtrack von „Pirates of the Carribean“ entgegen. Kurz bevor meinem Sohn die Gesichtszüge vollständig entgleisen konnten, grätschte ich zum Platzanweiser und beschwerte mich etwas lautstärker als geplant. Vielleicht waren die folgenden FSK 6-Trailer die Rache. Welche Wohltat, als Bob der Baumeister endlich in die Kamera winkte. Jetzt würde alles gut werden! Mein Sohn presste seinen kleinen Körper gegen den samtbezogenen Kinosessel und starrte mit großen Augen auf die Leinwand, ohne jemals die etwas zu überdimensionierte Popcornschachtel loszulassen. Zweifel machten sich bemerkbar. Was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Bob der Baumeister hatte etwa zwei Tage Zeit, um einen riesigen Steinbruch zu sprengen und in einen Stausee inklusive eines Staudammes zu verwandeln, der gut und gerne dem „Hoover Dam“ hätte Konkurrenz machen können. Nebenbei musste er sich noch mit arroganten Sub-Unternehmern und depressiven Baumaschinen auseinandersetzen. Doch Bob kann sowas. Ein bisschen überraschend war es trotzdem, denn bis dahin hatte ich nur einmal erlebt, dass Bobs ambitionierter Zeitplan ins Wanken geriet – damals, als er zusammen mit Wendy einen Gartenzaun bauen sollte.
Mit jedem Stein, den Bobs Team aus dem Hochhausener Steinbruch abtrug, schob sich mein Sohn etwas weiter nach vorne. Am Abend des ersten Bauabschnittes hatte auch ich mich entspannt. Und am Ende der 60 Minuten, waren mein Sohn und das Kino Freunde geworden.