Musiklegendensterben

Mit Michael Jackson fing es an. Das ist nicht besonders verwunderlich, weil in meiner Kindheit und Jugend irgendwie alles mit Michael Jackson anfing ‒ oder zumindest aufhörte. Er war da, als ich eingeschult wurde, bei meiner Konfirmation, bei der ersten Party ‒ wenn auch nicht physisch. Dabei war ich nicht mal ein Fan. Trotzdem traf es mich tief, als am Morgen des 25. Juni 2009 aus Gerüchten traurige Gewissheit wurde. Der King of Pop hatte das Gebäude verlassen. Diesmal jedoch nicht in Form eines Konzertsaales, sondern gleich das ganze irdische Gebäude. Horizontal. Der Startschuss für ein bisher in dieser Dichte nie gekanntes Ableben höchstprominenter Musikgrößen. David Bowie, Prince, George Michael, the incredible Hagen, Wölli, Chuck Berry. Und dabei vergesse ich sicherlich die Hälfte. Und jetzt auch noch Tom Petty! Seitdem werde ich das Gefühl nicht los, dass hier ein Schema vorliegt. Womöglich hat Satan in seiner begrenzten Kompetenz eine Rockstar-Quote eingeführt, um Platz zu schaffen für weitere D-Casting-Promis. Oder irgendwann rächt sich ein unorthodoxer Lebensstil doch mal. Oder Rockstars sind am Ende tatsächlich doch auch nur Menschen.
Als Kurt Cobain 1994 ‒ natürlich mit 27 ‒ starb, war ich 17. Damals wunderte sich keiner so wirklich darüber, verkörperte der Nirvana-Frontman doch einen Lebensstil, der von vorne herein nicht darauf ausgelegt war, das 30. Lebensjahr zu erreichen. Jackson, Bowie, Petty, Prince und George Michael erreichten immerhin das ältere Erwachsenenalter, wie es in der Entwicklungspsychologie heißt; Chuck Berry wurde sogar 90. Da kann man mit sowas schon mal rechnen. Vielleicht schwingt da aber noch ein anderer Aspekt mit. Wenn meine Helden der Jugend mal die 50 erreicht haben, heißt das unweigerlich im Untertitel: „Du selbst bist ja auch keine 18 mehr.“ Da reicht aber schon ein Blick auf die eigene Nachzucht.
Ich könnte meine Kinder in dem Glauben erziehen, es habe nie einen King of Pop gegeben. Sie würden aufwachsen in der Gewissheit, dass irgendein DJ Vollhonk musikmäßig das Non-plus-Ultra sei. Wenn ich ihnen erzählen würde, Michael Jackson sei der Name für ein Duschgel, würden sie es mir erstmal glauben. Wahrscheinlich liegt hierin auch ein Bildungsauftrag, der zugegebenermaßen regelmäßig medial torpediert wird: Rockmusikgeschichte. Das ließe sich im musischen Bereich in sämtlichen Bildungs- und Erziehungsplänen verankern. Ein schöner Traum.